Brillen heben sich im Allgemeinen kontrastreich von einem
menschlichen Antlitz ab und eignen sich daher gut für graphische Darstellungen. Es gibt
deshalb und weil die Brille für den Menschen so wichtig ist, in reicher Fülle
Kupferstiche und Holzschnitte, auf denen Brillenträger, Brillenmacher und
Brillenverkäufer zu sehen sind. Während uns Gemälde oft mehr von der Vorstellungskraft
des Künstlers als von den historischen Fakten berichten, glaubt man beim Kupferstich
zuweilen eher eine Dokumentation vor Augen zu haben.
Ein gutes Beispiel ist der Kupferstich nach einem Gemälde von Adrian van Ostade
(1610-1685) von Andreas Scheits, der eine Brillenhändlerszene mit einer Frau am Spinnrad
zeigt, die von einem ambulanten Händler angebotenen Brillen probiert.
Die Schlußfolgerung ist evident: Auch früher war das Tragen einer Brille keine reine
Männersache.

Neben den graphischen Künsten, die jahrhundertelang das Feld der Buchillustration beherrschten, entstand eine künstlerische ambitionierte Gebrauchsgraphik, wie zum Beispiel die Graphik der Briefmarke. Die Deutsche Bundespost ehrte im Jahre 1960 Robert Koch durch eine Marke, auf der man den bebrillten Kopf des Bakteriologen sowie ein Mikroskop erkennt.

Als weiteres Beispiel möchte ich die deutsche Briefmarke (1968) mit der Inschrift "Handwerk, Tradition, Fortschritt" sowie einigen Handwerkssymbolen und einer Brille erwähnen. Die so angedeutete Gedankenverbindung ist aufschlußreich: Das Augenoptikerhandwerk beruht auf der Tradition der Brillenmacher, ist aber im Grenzbereich zur Wissenschaft angesiedelt und dadurch dem Fortschritt verpflichtet.

Den Augenoptiker im heutigen Sinne gibt es erst seit Pater Johann Heinrich August Duncker, der sich am 26. Juni 1800 an König Friedrich Wilhelm III von Preußen wand um den bis dato immer schlechter gewordenen Brillenverfertigungen Einhalt zu gebieten. Von hier ab wurden immer mehr Brillen nach vorheriger Vermessung der Augen für die jeweilig gefundene Fehlsichtigkeit angefertigt. Hier ist der Beginn der Brillenverfertigung nach vorheriger Brillenglasbestimmung und nicht nach Versuch und Irrtum.
![]() |
![]() |
Da die ersten Brillen vor allem den Alterssichtigen halfen, blickten
würdige Persönlichkeiten, die lesen und schreiben konnten, besonders häufig durch eine
Brille, die so zum Attribut der Gebildeten wurde. Natürlich gibt es unter den
Alterssichtigen beispielweise auch Handwerker und Künstler, die sich mit kniffeligen
Arbeiten an feinen Objekten befassen, sowie strickende, spinnende,- Frauen. Trotzdem
deuten die Zeugnisse der bildenden Kunst auf ein Übergewicht der Bildungsschicht bei den
Brillenträgern hin. Dies zeigt sich insbesonder auch dadurch, dass in der bildenden Kunst fasst ausschließlich Augengläser bzw. Nietbrillen gezeigt werden die mit einer Hand zu halten sind. Die Riemen- oder Fadenbrille wurde dem Handwerker zugeschrieben, der beide Hände zur Arbeit benötigt. Dies erklärt warum sich die Fadenmontur auf alten Ansichten nur selten zeigt.
Der Schriftgelehrte, der Evangelist, der Kirchenlehrer wurde daher gerne mit vor Augen gehaltener Nietbrille dargestellt, selbst wenn es zu ihren Lebzeiten sie noch gar nicht gab, um ihn unübersehbar als Handwerker auszuschließen.
Bald verknüpfte man die bewunderten Fähigkeiten gelehrter Männer direkt mit ihren Brillen.
Die so jahrhundertelang ausgeprägte soziale Schichtung des Brillengebrauchs verschaffte der Brille einen gewissen Prestigewert. In Deutschland galten Lorgnette, Kneifer und
Monokel im 19. und anfangs des 20. Jahrhundert als Attribute der oberen Schichten. Dennoch
hatte der Brillenträger früher auch manchen Spott zu ertragen, da es modisch geformte
Brillen, die man je nach Gesichtsform, Frisur und Geschmack individuell wählen kann,
damals noch nicht gab. Heute kann eine Brille recht unauffällig sein oder aber auch eine
Physiognomie so stark prägen, daß mancher Brillenträger bewußt oder unbewußt eine
Brille aussucht, die ihn einem Leitbild ähnlich macht, die ihm ein markantes Profil
verleiht: Man sieht besser und sieht besser aus mit einer typgerechten Brille.




Kurze Beschreibung des Werdeganges der Brillenbügel.