Das Repräsentationsbedürfnis der begüterten Stände machte aus der Brille und anderen Sehinstrumenten ein Wirkungsfeld des Kunsthandwerks. Stiele von Lesegläsern und Eingläsern, Brillenfassungen und Etuis sowie Schalen von einschlagbaren Lorgnetten wurden virtuos gestaltet. Gold und Silber, Edelsteine und Perlen, Schildpatt und Perlmutt, Horn und Elfenbein waren nicht zu teuer; man modellierte, ziselierte und emaillierte. Diese Zeugen eines schöpferischen Kunsthandwerkes werden natürlich mit viel Liebe gesammelt, da sich nicht zuletzt in den Formen und Ausführungen die Epoche, in der sie geschaffen wurde, wiederspiegelt.
In der bildenden Kunst findet man verhältnismäßig viele
Brillendarstellungen. Die Brille beeinflußt das Aussehen und Ansehen des Menschen; und
sie kostet auch etwas. Psychologische und soziologische Gesichtspunkte spielen deshalb in
der Geschichte der Brille eine Rolle. Die Datierung von Werken der darstellenden Kunst spielt bei der Erforschung der Geschichte
der ersten Brillen eine dominierende Rolle, da es zunächst keinen einzigen Fund gab. Erst
1953 wurden im Kloster Wienhausen bei Celle einige Nietbrillen gefunden.
Später folgten weitere Funde in London, Marburg und Freiburg. Die Fassungen dieser ersten
Brillen bestanden aus hauchdünnem Holz. Dieses empfindliche Material machte diese
Nietbrillen zu sehr vergänglichen Gebilden.
So waren zunächst Fresken, Tafelbilder, Buchmalereien und Skulpturen langlebigere Zeugen
aus dem Mittelalter. Die wohl älteste datierte Brillendarstellung schuf Tommaso da Modena
1352 in seinen Fresken im Kapitelsaal des Klosters San Nicoló in Treviso. Als Beispiel
aus der Buchmalerei sei eine um 1380 handgeschriebene Bibel genannt. In einem Initial
findet man dort den Evangelisten Lukas mit einer Nietbrille. Beinahe so präzis wie eine
Konstruktionszeichnung ist die Darstellung einer Nietbrille in einem 1466 geschaffenen
Gemälde von Friedrich Herlin im linken Seitenflügel des Hauptaltars von St.Jakob in
Rothenburg o.d. Tauber. Brillen sind auch in den farbenprächtigen Glasmalereien
mittelalterlicher Dome dargestellt. So trägt einer der Apostel in der um 1520
geschaffenen Glasmalerei "Tod der Maria" im Dom von Xanten eine Brille.
Machen wir einen Sprung über einige hundert Jahre. Unser Jahrhundert ist nicht nur die Epoche der technisch-wissenschaftlichen Perfektionierung der Brille, sondern auch eine Zeit rasch wechselnder Kunststile. Zwei Beispiele möchte ich nennen: Im "Selbstbildnis mit gelber Brille" des Expressionisten Karl Schmidt-Rottluff beherrscht eine breitrandige gelbe Brillenfassung das Bild. Dagegen verschmelzen die Augengläser mit der Physiognomie in dem impressionistischen Selbstbildnis an der Staffelei von Max Slevogt.
Selbstverständlich finden sich Brillen auch in Karikaturen. Die Brille als Attribut deutet nicht immer auf Bildung, Würde oder Alter hin. Die Skala reicht vom Spott bis zur Dämonisierung. Denn die Brille wurde von manchen in ihrer Wirkung nicht verstanden, für Teufelswerk gehalten.